Am 5. August 2025 haben Indien und Großbritannien offiziell das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (im Folgenden „Freihandelsabkommen Indien-UK“) ins Leben gerufen. Diese bahnbrechende Handelskooperation verändert nicht nur die bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern, sondern löst auch im globalen Textilaußenhandel große Veränderungen aus. Die im Abkommen enthaltenen „Nullzoll“-Bestimmungen für die Textilindustrie verändern die Wettbewerbslandschaft auf dem britischen Textilimportmarkt unmittelbar und stellen insbesondere chinesische Textilexportunternehmen, die den Markt lange Zeit dominierten, vor potenzielle Herausforderungen.
Kern des Abkommens: Nullzölle auf 1.143 Textilkategorien, Indien zielt auf den zusätzlichen Markt des Vereinigten Königreichs ab
Die Textilindustrie zählt zu den Hauptnutznießern des Freihandelsabkommens zwischen Indien und Großbritannien: 1.143 Textilkategorien (darunter wichtige Segmente wie Baumwollgarn, Rohgewebe, Konfektionskleidung und Heimtextilien), die von Indien nach Großbritannien exportiert werden, sind vollständig von Zöllen befreit. Dies entspricht etwa 85 % der Kategorien auf der britischen Textilimportliste. Zuvor unterlagen indische Textilprodukte auf dem britischen Markt Zöllen zwischen 5 % und 12 %. Für einige Produkte wichtiger Wettbewerber wie China und Bangladesch galten im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) oder bilateraler Abkommen bereits niedrigere Steuersätze.
Der vollständige Abbau der Zölle hat die Preiswettbewerbsfähigkeit indischer Textilprodukte auf dem britischen Markt unmittelbar verbessert. Berechnungen des indischen Textilverbands CITI zufolge könnten die Preise für indische Konfektionskleidung auf dem britischen Markt nach der Abschaffung der Zölle um 6 bis 8 Prozent sinken. Der Preisunterschied zwischen indischen und chinesischen Textilprodukten wird sich von bisher 3 bis 5 Prozent auf unter 1 Prozent verringern. Einige Produkte der mittleren bis unteren Preisklasse könnten sogar Preisparität erreichen oder ihre chinesischen Pendants übertreffen.
Gemessen an der Marktgröße ist Großbritannien der drittgrößte Textilimporteur Europas mit einem jährlichen Textilimportvolumen von 26,95 Milliarden US-Dollar (Stand 2024). Davon entfallen 62 % auf Bekleidung, 23 % auf Heimtextilien und 15 % auf Stoffe und Garne. Dank seiner vollständigen Industriekette, seiner stabilen Qualität und seiner großen Marktvorteile hält China seit langem 28 % des britischen Textilimportmarktes und ist damit der größte Textillieferant des Landes. Obwohl Indien der zweitgrößte Textilproduzent der Welt ist, beträgt sein Anteil am britischen Markt lediglich 6,6 %. Indien konzentriert sich dabei hauptsächlich auf Zwischenprodukte wie Baumwollgarn und Rohgewebe, während der Export von Konfektionskleidung mit hoher Wertschöpfung weniger als 30 % ausmacht.
Das Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen Indien und Großbritannien hat der indischen Textilindustrie neue Impulse gegeben. In einer Erklärung nach Inkrafttreten des Abkommens bekräftigte das indische Textilministerium sein Ziel, die Textilexporte nach Großbritannien von 1,78 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024 auf 5 Milliarden US-Dollar innerhalb der nächsten drei Jahre zu steigern. Der Marktanteil soll dabei 18 % übersteigen. Indien plant damit, seinen bestehenden Marktanteil um etwa 11,4 Prozentpunkte zu verringern. China, der größte Lieferant auf dem britischen Markt, wird dabei zum wichtigsten Konkurrenten.
Herausforderungen für Chinas Textilindustrie: Druck auf den Märkten des mittleren bis unteren Preissegments, Vorteile in der Lieferkette bleiben bestehen, aber Wachsamkeit ist geboten
Für chinesische Textilexportunternehmen konzentrieren sich die Herausforderungen des Freihandelsabkommens zwischen Indien und Großbritannien vor allem auf das mittlere bis untere Produktsegment. Derzeit machen Konfektionskleidung des mittleren bis unteren Preissegments (wie Freizeitkleidung und einfache Heimtextilien) etwa 45 % der chinesischen Textilexporte nach Großbritannien aus. Für diese Produkte gelten niedrige technische Hürden, ein starker, homogener Wettbewerb und der Preis ist der zentrale Wettbewerbsfaktor. Indiens Vorteile bei den Arbeitskosten (das durchschnittliche Monatsgehalt indischer Textilarbeiter beträgt etwa ein Drittel des chinesischen) und den Baumwollressourcen (Indien ist der weltweit größte Baumwollproduzent) sowie die damit verbundenen Zollsenkungen könnten britische Einzelhändler dazu bewegen, einen Teil ihrer Bestellungen im mittleren bis unteren Preissegment nach Indien zu verlagern.
Aus Unternehmenssicht zeigen die Beschaffungsstrategien großer britischer Einzelhandelsketten (wie Marks & Spencer, Primark und ASDA) Anpassungen. Branchenquellen zufolge hat Primark langfristige Lieferverträge mit drei indischen Bekleidungsfabriken abgeschlossen und plant, die Beschaffungsquote für Freizeitkleidung im mittleren bis unteren Preissegment von bisher 10 % auf 30 % zu erhöhen. Marks & Spencer kündigte außerdem an, das Beschaffungsvolumen für in Indien hergestellte Heimtextilien in der Herbst- und Wintersaison 2025/26 zu erhöhen. Ziel ist zunächst ein Anteil von 15 %.
Chinas Textilindustrie ist jedoch nicht schutzlos. Die Integrität der industriellen Kette und die Vorteile hochwertiger Produkte bleiben der Schlüssel zur Widerstandsfähigkeit gegenüber der Konkurrenz. Einerseits verfügt China über eine vollständige industrielle Kette von der Chemiefaserherstellung über Spinnen, Weben, Drucken und Färben bis hin zur Konfektionskleidung. Die Reaktionsgeschwindigkeit der industriellen Kette (mit einem durchschnittlichen Auftragslieferzyklus von etwa 20 Tagen) ist deutlich schneller als die Indiens (etwa 35–40 Tage), was für Fast-Fashion-Marken, die eine schnelle Iteration benötigen, von entscheidender Bedeutung ist. Andererseits sind Chinas technologische Akkumulations- und Produktionskapazitätsvorteile im Bereich hochwertiger Textilien (wie Funktionsgewebe, Produkte aus Recyclingfasern und intelligente Textilien) für Indien kurzfristig kaum zu übertreffen. So machen beispielsweise Chinas Exporte von recycelten Polyestergeweben und antibakteriellen Heimtextilien nach Großbritannien mehr als 40 % des britischen Marktes aus und zielen hauptsächlich auf Kunden aus dem mittleren bis oberen Preissegment ab, und dieses Segment ist weniger von Zöllen betroffen.
Darüber hinaus mindert die globale Ausrichtung chinesischer Textilunternehmen die Risiken eines Binnenmarktes. In den letzten Jahren haben viele chinesische Textilunternehmen Produktionsstandorte in Südostasien und Afrika errichtet, um mithilfe lokaler Zollpräferenzen in den europäischen Markt einzudringen. So profitiert beispielsweise die vietnamesische Fabrik von Shenzhou International durch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam von Zollfreiheit, und ihre Sportbekleidungsexporte nach Großbritannien machen 22 % des britischen Sportbekleidungsimportmarktes aus. Dieser Geschäftsbereich ist vom Freihandelsabkommen zwischen Indien und Großbritannien vorübergehend nicht direkt betroffen.
Erweiterte Auswirkungen auf die Branche: Beschleunigte Regionalisierung der globalen Textillieferkette, Unternehmen müssen sich auf „differenzierten Wettbewerb“ konzentrieren
Das Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen Indien und Großbritannien ist im Wesentlichen ein Mikrokosmos des globalen Trends zur Regionalisierung und abkommensbasierten Entwicklung der Textillieferkette. In den letzten Jahren wurden zahlreiche bilaterale Freihandelsabkommen wie das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indonesien, das Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und Indien und das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Vietnam geschlossen. Eine der Kernlogiken ist der Aufbau von Nearshore-Lieferketten oder Verbündeten-Lieferketten durch Zollpräferenzen, und dieser Trend verändert die Regeln des globalen Textilhandels.
Die Reaktionsstrategien von Textilunternehmen auf der ganzen Welt müssen sich auf „Differenzierung“ konzentrieren:
Indische Unternehmen: Kurzfristig müssen sie Probleme wie unzureichende Produktionskapazitäten und mangelnde Stabilität der Lieferkette (z. B. Baumwollpreisschwankungen, Stromknappheit) angehen, um Lieferverzögerungen durch Auftragseinbrüche zu vermeiden. Langfristig müssen sie den Anteil hochwertiger Produkte erhöhen und sich von der Abhängigkeit vom mittleren bis unteren Marktsegment lösen.
Chinesische Unternehmen: Einerseits können sie ihren Marktanteil im High-End-Segment durch technologische Modernisierung (z. B. Entwicklung umweltfreundlicher Stoffe und Funktionsfasern) festigen. Andererseits können sie die intensive Zusammenarbeit mit britischen Marken stärken (z. B. durch individuelles Design und schnelle Lieferkettenservices), um die Kundenbindung zu erhöhen. Gleichzeitig können sie die „Belt and Road“-Initiative nutzen, um Zollschranken durch Umschlag über Drittländer oder Produktion im Ausland zu vermeiden.
Britische Einzelhändler: Sie müssen ein Gleichgewicht zwischen Kosten und Lieferkettenstabilität finden. Indische Produkte bieten zwar deutliche Preisvorteile, sind aber mit höheren Lieferkettenrisiken verbunden. Chinesische Produkte sind zwar etwas teurer, bieten aber eine höhere Qualitätsgarantie und Liefersicherheit. Es wird erwartet, dass der britische Markt künftig ein duales Angebotsmuster aufweisen wird: „High-End-Produkte aus China + Mittel- bis Low-End-Produkte aus Indien“.
Insgesamt sind die Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen Indien und Großbritannien auf die Textilindustrie nicht „disruptiv“, sondern fördern vielmehr die Ausweitung des Marktwettbewerbs vom „Preiskrieg“ zum „Wertkrieg“. Chinesische Textilexportunternehmen müssen kurzfristig auf den Verlust von Marktanteilen im mittleren bis unteren Marktsegment achten und sich langfristig im Rahmen der neuen Handelsregeln durch die Modernisierung der Industriekette und eine globale Ausrichtung neue Wettbewerbsvorteile verschaffen.
Veröffentlichungszeit: 22. August 2025